[Popinternat]
Markus
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Studio-Tagebuch 2
Sonntag
14.5.00
Abfahrt mit der deutschen Bundesbahn Richtung Hamburg, Pladde fertig
machen! Kind im Abteil - und dieses Kind ist wieder mal ein richtiges
Arschloch. Angekommen in HH gibt´s direkt die nächste Überraschung.
Kausche hat die Kohle eingesackt und jetzt das Türschloss ausgetauscht.
Muss man erst mal machen! Ich schlafe heute also bei Christian Mevs,
der geht gegen 1.00 Uhr ins Bett, ich gehe in den Pudel. Noch ein
netter Plausch mit Mense und gegen 3.00 Uhr wieder zurück nach Altona,
wo Christian wohnt. Buona Notte.
Montag
15.5.00
Aufbau!
Christian macht die Technik, ich die Deko! „Never Ever“ bekommt
ein neues Mäntelchen.
Pop! Prinz of Pauli! Den Großteil des Abends verbringe ich am Hafen,
bei sagenhaften Temperaturen.
Im Pudel trifft man jede Menge Menschen, z. B Hakan aus Augsburg.
Zwischendurch melde ich mich mal kurz bei Rocko am Handy. Der ist
gerade live auf der Bühne in Mainz und ich bekomme einen kurzen
aber herzlichen Szenenaplaus! Da es nicht wirklich paßt, beenden
wir nach kurzer Zeit unser Telefonat. Als ich nach Hause komme,
ist aus dem Abend schon wieder ein Tag geworden.
Dienstag
16.5.00
...
jetzt kommt der Euphorie-Turbo ins Spiel. Wir sind am Feinschliff
und nehmen hier und dort noch ein paar Ideen auf („Never Ever“,
„Move Your Body“, „Close To Ice“) und das macht nochmal richtig
bock! Im Privatbereich sieht´s so aus, dass ich in Peta´s („Die
Braut haut ins Auge“) „WG“ einziehe und mich gleich am ersten Abend
mal so richtig „WG-mäßig“ in der Wohnküche festlabere. Super nett
alles!
Mittwoch
17.5.00
Von nun an wird gemischt! Mischen ist für den Außenstehenden stocklangweilig
und uninterresant zu erzählen. „Move Your Body“ ist der erste Kandidat.
Klingt alles schon mal fett, nur ob´s mir gefallen tut, kann ich
noch nicht sagen. Am Abend geh´ ich „Zum lustigen Pudel“ ...das
war´s.
Donnerstag 18.5.00
„Move
Your Body“ wird weiter gemischt - irgendwie wird das alles riesig,
aber irgendwie auch nicht.
Irgendwas stört, wir werden´s schon noch herausfinden. Am Abend
gehe ich mit Christian in eine Galerie namens „Galerie 88“ in der
„Die Braut haut ins Auge“ eine Ausstellung verschiedener Band-/Tour-Utensilien
eröffnet. Sehr lustig und charmant, eine Band so aufzulösen. Ich
erinnere mich an meine...
Irgendwie ist bei mir schon wieder was im Anmarsch, ich bin total
gaga und mach mich zeitig vom Hof. Nach ein paar Seiten in “KLF´s“
Handbuch schlummere ich schon im Futton.
Freitag
19.5.00
Letzter Gig der „Braut“. Markthalle ausverkauft! Mörder Konzert!
Zweieinhalb Stunden, ich glaub´ ich werd nicht mehr... Das Backstagegedöhns
ist nicht so meines und deshalb ziehe ich weiter zur „Aftershow-Party“
der „Sportfreunde Stiller“ (...auch auf Motor, sonst keinen Bezug).
Die Band kann ich zwar nicht entdecken, dafür ist ein erheblicher
Teil der Motor-Mannschaft da und fast ausnahmslos stramm. Irgendwann
hat die Sache zu viel „After“ und ich wuppe nochmal ´rüber zur ultimativ
letzten Party der „Braut“. Da geht auch einiges mit Alkoholika...
Die Sonne geht auf, es regnet in strömen, ich fahre nach Hause.
Ach ja, im Studio waren wir auch, tagsüber, „On & On“ gemischt,
fett!
Samstag 20.5.00
... leicht verkatert und sonst wenig zu erzählen. “No Reply“ ist
unsere heutige Herausforderung. Es raschelt ordentlich und überhaupt,
das Ding hat Zuch... Power Pop vom feinsten mit Abgehgitarre und
hohem Durchmarsch-Fucktor. Nach der Arbeit geht´s ins Kino. „Mission
To Mars“, bloß nicht reingehen... Gruß bis morgen.
Sonntag
21.5.00
Wir
haben immer noch den Song von gestern in der Mache. Sonst gibt’s
kaum Erzählenswertes.
Ich schmökere in der Bibliothek meines „Zimmer-Vermieters“ und greife
zum Tagebuch Che Guevara´s, (das ist der Typ, dessen Konterfei immer
auf den roten T-Shirts zu sehen ist). Selbst Che hat an manchen
Tagen schlicht „Nichts Neues“ stehen. Genossen, gute Nacht.
Montag 22.5.00
Christian
ist ernsthaft krank, wir brechen um 13.00 Uhr mitteleuropäischer
Zeit ab, meinem Rad bricht der Sattel ab, auf meiner Lamaccun ist
Hammelfleisch, auf der Bank neben mir setzen sich zwei Fixer die
Nadel - ich fühl mich scheiße! ... ist kein wirklich guter Tag.
Dienstag 23.5.00
Ich verlasse die WG und ziehe ab jetzt in ein kleines Hotel (...
alles nur wegen „Kausche“ der Sau!)
Noch mal einen Tag frei. Ich treffe mich mit Max, einem gutaussehenden
jungen Herren, der die vakante Stelle des Aroma-Gitarristen übernehmen
könnte. Ansonsten abhängen im Hotel, dann zu „il Presidente“, einer
alle zwei Wochen stattfindenden Motor- Veranstaltung in einem Club
namens Rialto. “Meet and greet“ heisst so etwas im Fachchargon.
Für mich ist es eher so´ ne Art „Wink and drink“. Eigentlich ganz
angenehmes Ambiente, weil draussen... (Motor scheint mir eh eine
partyfreudiges Völkchen zu sein). Ich verzieh´ mich gegen 0.00 Uhr
und schau´ im Mojo Club vorbei, wo heute „Jurrasic 5“ „geile Styles“
kicken. Hip Hop Legenden aus U.S. of A., die so manchem Nachwuchs-Rapper
zeigen, wo der Afro-Amerikaner den Most holt.
Mittwoch 24.5.00
Neuer
Anlauf nach Christians Erkältung und erst mal ordentlich verzetteln
bei „Destiny“. Ansonsten siehe Che Guevara...
Donnerstag
25.5.00
„Destiny“
ist ein einziger Kampf! Ich kapituliere, Christian beißt sich fest.
Aus den Boxen tröpfelt irgend etwas, aber nichts was unsere Erwartungen
erfüllt. Wir ziehens zwangsläufig durch, ich ahne jedoch, dass wir
dieses Teilchen opfern werden (...hat eh einen der teuersten Samples).
Geschäftsessen am Abend mit ein bisschen nach vorne denken und alles.
Michael (Motor) nimmt mich mit in den gölden Püdel, wo ich mir aus
Frust über den misslungenen Mix amtlich die Kirsche zuziehe. Ich
nehme den Nachhauseweg in Angriff und bin eine Stunde später im
Hotel (...kann man nüchtern auch in 35 Minuten schaffen!)
Freitag
26.5.00
Neuer Tag, neues Lied! „Me Myself....“ summt von Anfang an wie ein
Bienchen, was nach der Orgie gestern ziemlich gut tut. Ein feiner
Mix mit reichlich „Bacardi-Feeling“ bahnt sich da an. „Schwül, Baby“.
12.00 Uhr „Signing-Foto“ bei Motor (für das Branchenblättchen „Musikwoche“).
Nach dem gestrigen Abend und meiner heutigen Optik wird sich die
Branche da auf einiges gefasst machen... ich komm´ heute wohl eher
etwas „rockich“ ´rüber. Auf dem Kiez sind heute Abend nur „St. Pauli
Blödiane“, die den Verbleib des „Traditionsvereines“ in der 2. Bundesliga
feiern. Unglaublich was da geht... Der einzige Ort an dem es sich
aushalten lässt ist der... Scheinbar schmiere ich gesundheitlich
jetzt auch ab und gehe deswegen bald wieder heimwärts - heute in
den 35 Minuten.
Samstag
27.5.00
„Grooving“
wird wohl einer der fetten Songs auf dem Album, das merkt man schon
zu Beginn des Tages. „Disco“ hält Händchen mit „House“ und beide
schlendern auf den Pfaden großer Pop-Musik. Ich hab´ jedenfalls
einen Heidenspaß damit. Um 21.00 Uhr geht´s zur Stechuhr. Die „Hanseatic
Diamonds“ laden ein zu einem „Klassentreffen der Hamburgerschule“.
DM 27,-- nimmt man an der Abenkasse, was sich später als eher frech
herausstellen sollte. Verkrachte „Kiez-Tanzband-Mucker“ spielen
Blumfeld/ Tocotronic-Songs etc. Es singen Horst Hrubesch und Engelbert,
beide nach mehrjährigem Alkoholkonsum. Solariumsbräune, Fettwampen,
Nackenmatten und Pornobalken sind bei diesen Witzbolden groß angesagt.
„Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ bekommt zum ersten mal
ein Gitarrensolo nach „Hotel California“-Art verpasst, usw. Grausam!
Die ganze „Performance“, überhaupt der ganze Abend, ist lausig.
Ich fühl mich elend und will hier weg.
Sonntag
28.5.00
„Grooving“
wird fertig und fett. Greg D. schaut für zwei Tage vorbei. Wir wollen
zu „Deichkind“, die sind aber ausverkauft und somit ziehen wir weiter
in Pudels Pinte nahe des Hafens. Musik und Stimmung sind heute so
langweilig, dass mir die Zigarette ausgeht. Deshalb fahren wir noch
in die Astra-Stuben, einem netten Club in dem heute Erobique auflegt
(... ich sag mal Keyboard spielen kann er besser...). Trotzdem ein
schöner Abend geworden. Als ich im Hotel ankomme, bemerke ich, dass
ich wohl Wein getrunken habe. Nächtle´.
Montag
29.5.00
„Never
Ever“. Ich sag nur soviel: groß! Christian, Greg und ich feiern
diese „Errungenschaft“ beim Italiener. Danach noch ´a Weinderl in
der „Mutter“ und dann Haiapupaia.
Dienstag
30.5.00
...noch bis zum frühen Nachmittag an „Never Ever“ gearbeitet und
zum ersten mal denke ich über anstehende Grammy-Verleihungen nach:
Best Pop Song, Best Newcomer, Best Album, Best Best-Ager etc. Die
„Aromanie“ bricht aus... es gibt eine „Top-of-the-Pops-Sondersendung“
... ich schweife ab.
Greg D. has just left the building, da erreicht mich ein Anruf:
... heute Abend „Geschäftsgrillen“ mit so Leuten aus dem „Bizz“.
Monetär spielt man hier offensichtlich in der Championsleague, was
sich bei mir im Konsum einer erstklassigen Flasche Weißwein niederschlägt.
Alle geben sich begeistert, man spricht über die „Positionierung
von Aroma“, über das richtige „Timing“ und mit welchen „Tools“...
Wir diskutieren über Musik und große Gefühle und im Laufe der Zeit
habe ich ordentlich einen umhängen. Man schwärmt angenehm überdreht
und am Ende dieses Tages fühle ich mich wie eine Kreuzung aus Burt
Bacharach und den Pet Shop Boys... jetzt mal besser schlafen gehen!
Mittwoch 31.5.00
„Gimme“
ist schon wieder so ´ne Art Guerilla-Krieg . Musik kann so grausam
sein. Entspannung muß her! Christian hat Karten für Michael Mittermaier
und da gehen wir natürlich hin. Sehr spaßig. Hätte ich mir gar nicht
so unterhaltsam vorgestellt. Danach chillen vor der Glotze und abratzen.
Donnerstag
1.6.00
„Discko
Devil“ liegt auf der Festplatte. Viel Arbeit, viel Schweiß, das
wird sich aber auszahlen. Single-Aspirant! Bin seit Tagen permanent
wie stoned, werd´ aber auch nicht wirklich krank.
... später ein langweiliger Fernseh/Astra-Abend im Hotel. Freitag
2.6.00 Da haben wir den Salat! Fahrrad gestohlen, mein Nässchen
läuft in Jahresbestleistung, aufkommender Zeitdruck und zu allem
Überfluss auch noch höllische Zahnschmerzen. Danny d´ Amour kommt
mit dem Love-Train - der einzige Lichtstrahl am bewölkten Gemütshimmel!
Samstag 3.6.00
„Would
You Please Help Me, Baby“ (der Song passt ja jetzt wie Arsch auf
Eimer!) wird entgegen meiner Verfassung verdammt gut. „Karstadt-Gitarre-meets-Schizo-Lyrics-
meets-Up-Tempo-Beats-versus-Pedal-Steel-Sample“! Yes! ...da geht
ja Einiges, digger ... immer noch Zahnschmerzen wie Sau!
Am Nachmittag zum Notzahnarzt (das übliche, schlecht gelaunte Riesenarschloch)
- keine Besserung.
Den Abend verbringen Frau d´Amour und ich in der Uniklinik Eppendorf
- ich hab´ `nen Mordsköttel in der Hose, aber nach zweieinhalb Stunden
Wartezeit schickt mich der Doc (diesmal ein sehr angenehmer Typ)
ohne irgend etwas gefunden zu haben nach Hause - toll!!! Im Knust
sehen wir uns noch eine Band namens „Halma“ an, ansonsten geht bei
mir heute rein gar nichts mehr.
Sonntag
4.6.00
Wegen der Zahnschmerzen bin ich permanent auf Chemo und filme eigentlich
nur noch die Hälfte - alles weniger fett!!! Ich ziehe den Tag irgendwie
durch und lege wie vereinbart in der „Mutter“ Pladden auf. „DJ Siegfried
Roy“ zu Gast in der Hansestadt. Michael Bugmann teilt sich den Plattenteller
mit mir und wir machen uns einen schönen Abend. Max schneit vorbei,
ich hab´ einen im Tee und fahre im Morgengrauen nach Hause.
Montag
5.6.00, Dienstag 6.6.00, Mittwoch 7.6.00
Die
heisse Zeit in Hamburg neigt sich dem Ende entgegen und nicht nur
das Wetter wird kühler. Die Arbeit (wie sich später heraus stellen
wird), die Christian und ich abliefern, klingt wie unsere Nebenhöhlen,
verrotzt. Die Stimmung zwischen uns beiden ist wie unser Gesundheitszustand,
labil und schwankend. Als Frust und Lagerkoller am Firmament zu
erahnen sind, ist die Studiozeit vorbei. Ende August geht’s noch
einmal für eine Woche ins Soundgarden um der Pladde den Hochglanz
zu verpassen, den´s brauch´.
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